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dc.contributor.authorPfleiderer, Georg
dc.contributor.authorEvers, Dirk
dc.contributor.editorPfleiderer, Georg
dc.contributor.editorEvers, Dirk
dc.date.accessioned2024-07-08T16:24:16Z
dc.date.available2024-07-08T16:24:16Z
dc.date.issued2022
dc.identifierONIX_20240708_9783374069859_216
dc.identifier.urihttps://library.oapen.org/handle/20.500.12657/91879
dc.languageGerman
dc.subject.classificationthema EDItEUR::Q Philosophy and Religion
dc.subject.otherSünde
dc.subject.otherSchuld
dc.subject.otherScham
dc.subject.otherpersonale Identität
dc.titleSünde, Schuld, Scham und personale Integrität
dc.title.alternativeZur neuen Debatte um die theologische Anthropologie
dc.typebook
oapen.abstract.otherlanguage«Schuld» und vor allem «Sünde» sind bekanntlich klassische Begriffe der theologischen Anthropologie. Als Negativfolien zu den für die - insbesondere protestantische – Theologie zentralen Konzepten von Rechtfertigung und Versöhnung sind sie nach weit verbreiteter Ansicht unverzichtbar. Sünde ist nach reformatorischer Überzeugung mangelnde (nicht nur mangelhafte!) Selbstunterscheidung von Gott. Als solche zerstört sie nicht nur das Gottesverhältnis, sondern damit zugleich auch das rechte Selbstverständnis, das wiederum die Basis für gelungene Verhältnisse zu anderen Menschen und anderen Lebewesen überhaupt bildet. Sünde desintegriert; der Glaube, als Nachvollzug des heilsamen Wirkens Gottes am Menschen und dessen unmittelbare Auswirkung, integriert, stellt personale Ganzheit her oder richtet auf diese als Bestimmung des Menschen aus und ermöglicht so ‘ganzheitliche’ Sozialverhältnisse. Im Gewissen wird dieser Zusammenhang dem Ich grundsätzlich, nämlich zumindest als ungefähres Bewusstsein von dem, was fehlt, bewusst. Mit dem Gewissen wiederum ist die Unterscheidung der Person von ihren Handlungen, reformatorisch: Werken, indiziert. Und damit zugleich die Unterscheidung von passiver Konstituierung der Person (aus Glaube) und aktiver Täterschaft (Handlungssubjektivität). Seit der Aufklärungszeit ist der (vermeintlich) pejorative, ‘pessimistische’ Tenor dieser theologischen Anthropologie unter Beschuss geraten, und die Theologie hat vielfältige Anstrengungen unternommen, um den positiven, heilsamen Sinn ihres Sündenverständnisses herauszuarbeiten und von autoritären und repressiven Funktionalisierungen freizuhalten. Zu Hilfe kam ihr dabei, dass zumindest zum Teil – nämlich im Hinblick auf die starke Stellung von Handlungssubjektivität und (im Gewissen selbstreferenzieller) personaler Ganzheitlichkeit – sich das so umrissene reformatorische Konzept theologischer Anthropologie an die klassische neuzeitliche Subjektphilosophie grundsätzlich als sehr anschlussfähig erwies. Darum konnte es – trotz seiner aus Aufklärungssicht pessimistischen Einfärbung – bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts mehr oder weniger stabil überdauern. Diese Persistenz wurde erst durch die radikale Religions- und Moralkritik Nietzsches und Freuds und davon zum Teil angeregte Theologie, wie etwa die dialektische Theologie, in Frage gestellt. Seither unternommene Versuche theologischer Rekonstruktion jener anthropologischen Konstellation haben aber in der Regel nicht zu einer Korrektur der Grundvorstellung der durch die Sünde durch menschliche Schuld desintegrierten, im Glauben durch göttliche Gnadentat (red-)integrierten Person geführt, sondern im Gegenteil zu Versuchen ihrer metakritischen Stabilisierung. Dabei wurde meist nachzuweisen versucht, dass diese theologische Anthropologie an moderne philosophisch-politische Konzepte individuell-personaler Menschenwürde und darauf basierender liberal-demokratischer Rechtsbegriffe durchaus anschlussfähig sei. In der jüngeren Zeit und in der Gegenwart ist jedoch zumindest in die außertheologische Evidenz dieser theologischen Anthropologie neue kritische Bewegung gekommen, die auch innerhalb der Theologie Niederschläge findet. Zum einen wird der theologische Schuld- und Sündenbegriff durch die Rezeption neuer Debatten um die anthropologische, sozialpsychologische und darin theologische Bedeutung von Scham und Schamkulturen problematisiert (vgl. z.B. Lotter, Maria-Sibylla. Scham, Schuld, Verantwortung. Über die kulturellen Grundlagen der Moral. Berlin 2012). Innerhalb der deutschsprachigen Theologie ist dafür vor allem die Ethik von Klaas Huizing (Scham und Ehre: Eine theologische Ethik, Gütersloh 2016). Zum andern erfährt die seit den Tagen Nietzsches schwelende Kritik am basalen Konzept personaler Ganzheitlichkeit und Integrität immer neue Nahrung durch naturwissenschaftliche, psychologische und kulturanthropologische Forschungen. In der außerwissenschaftlichen, öffentlichen Wahrnehmung und lebensweltlich dürften es vor allem die Einflüsse der neuen Sozialen Medien und der damit verbundene Bedeutungszuwachs von medialen, ikonologischen Selbst- und Fremddarstellungen sein, die neue soziale Bedingungen von individueller Identität, personaler Integrität – und deren Präsentationsformen und -medien schaffen. Die konstitutiven Überzeugungen protestantisch-theologischer Anthropologie sehen sich derzeit also erneut vielfältiger Kritik, Erosion und theoretischer wie lebensweltlicher Plausibilitätsverluste ausgesetzt. Gegenwärtig kann man fast den Eindruck bekommen, dass Schamkonzepte den traditionellen Schuldkonzeptionen gegenüber ein klares Modernisierungsplus hätten. Besser als die mit dem Schuldkonzept verbundene Fixierung auf Tat und Täterschaft scheint eine Phänomenologie der Scham mit der sozialen Vermitteltheit und der eikonischen Struktur von Personalität und deren angesonnener Integrität zurechtzukommen. In den elf nachstehenden Beiträgen wird vielfältigen Aspekten dieses neuen Schuld-Scham-Diskurses der Theologie nachgegangen. Auf eine die Thematik umreissende und in die Beiträge des Bandes einführende Einleitung der beiden Herausgeber folgt eine erste Gruppe von Aufsätzen, die sich mit dem semantischen Feld von «Sünde» und «Schuld» beschäftigen. Hier gehen Michael Roth, Friedrich Lohmann und Burkhard Nonnenmacher grundlegenden Aspekten der Sünden- und Schuldthematik in ihrer Bedeutung für das Person- und Gewissenskonzept in einer protestantisch-theologischen Perspektive nach. Ulrike Link-Wieczorek widmet sich der in der Tradition oft unterbelichteten, in der jüngeren Zeit aber stärker ins Blickfeld geratenen Problematik zwischenmenschlicher Vergebung. Christian Polke beschäftigt sich mit rechtsphilosophischen und –theologischen Implikationen der Schuldthematik. Daniel Weidners literaturwissenschaftliche Analysen schliessen diesen Teil ab. Den schamtheoretischen Teil des Bandes eröffnet ein Beitrag der Alttestamentlerin Alexandra Grund-Wittenberg; ihr folgen durchaus provozierende Thesen von Klaas Huizing, der in der neueren Debatte für eine markante Position «Schluss mit Sünde» steht. Karsten Lehmkühler zeigt, wie eng die Scham- und Schande-Semantik auf einer Semantik der Ehre basiert, die in der jüngeren theologischen Anthropologie unterbelichtet ist. Regine Munz schliesst mit phänomenologischen und psychologischen Überlegungen zur Schamproblematik an. Den Band beendet der Beitrag von Gotlind Ulshöfer zum «Verhältnis von Identität und Scham» in medientheoretischer Perspektive.
oapen.identifier.doi10.36199/978-3-374-06985-9
oapen.relation.isPublishedBy1ba2b3ce-ef59-46e7-9117-a66b43079922
oapen.relation.isFundedBy07f61e34-5b96-49f0-9860-c87dd8228f26
oapen.relation.isbn9783374069859
oapen.collectionSwiss National Science Foundation (SNF)
oapen.place.publicationLeipzig
oapen.grant.number10BP12_208228
oapen.grant.programOpen Access Books
oapen.grant.projectSünde, Schuld, Scham und personale Integrität. Zur neuen Debatte um die theologische Anthropologie


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