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Zur (Re-)Konzeptualisierung praktischer pädagogischer Reflexion anhand von Unterrichtsnachgesprächen im Kontext der zweiten Phase der Lehrer:innenbildung
Abstract
Reflection is a key concept in the German discourse on teacher education. It is connected to the
claim that professional educators should be able to adapt their actions according to situational
demands and justify their decisions in ways that non-professionals could not. This ideal mirrors
the refusal of a teacher education model which is based on the transmission of well-established
practical routines. A high-quality reflection is associated with adopting an observer’s point of
view, permitting distance from the immediacy of pedagogical practice as well as access to scien-
tific knowledge.
Empirical studies on reflection situated in pedagogical practice instead suggest that adopting a
distanced observer’s point of view is not what pedagogical practitioners do when they reflect on
their work. This discrepancy between the ideal and the practical phenomenon can either hint
at a shortcoming of the examined practice – or it can draw attention to practical pedagogical
reflection as a phenomenon in its own right. The latter could allow for a reading of practical
pedagogical reflection beyond a deficit-oriented approach and highlight ethical dimensions of a
mode of reflection that is not indifferent to its subject.
This study is an attempt at reconceptualising practical pedagogical reflection as a phenomenon
worth theorising. The aim of this venture is to develop a concept of reflection that is sensitive to
pedagogical practice. The suggested reading intends to pluralise the dominant understanding of
reflection and explore context-specific facets of the phenomenon in question. Reflexion ist ein Kernbegriff im erziehungswissenschaftlichen Lehrer:innenbildungsdiskurs,
der mit dem Anspruch verknüpft ist, dass pädagogisch Professionelle situationsangemessen han-
deln und dieses Handeln auf der Basis von wissenschaftlichem Wissen begründen können. Mit
diesem Anspruch geht die Abweisung eines Modells von Lehrer:innenbildung einher, das sich
in einer unhinterfragten Übernahme etablierter Praxisroutinen erschöpft. Eine anspruchsvolle
Reflexion pädagogischer Praxis wird im dominanten Diskurs mit einer distanzierten, den Re-
flexionsgegenstand objektivierenden Beobachtendenperspektive assoziiert, die einen Ausstieg
aus unmittelbaren Praxiszusammenhängen und einen Zugriff auf wissenschaftliche Wissensbe-
stände erlaubt.
In empirischen Zugriffen auf Reflexionssituationen, die in pädagogischen Praxiskontexten situ-
iert sind, lässt sich eine derartige Beobachtendenperspektive jedoch kaum nachzeichnen – das
Reflexionsideal steht also in Diskrepanz zum Praxisphänomen. Diese Diskrepanz führt viel-
fach zu der Interpretation, dass pädagogische Praktiker:innen keine anspruchsvolle Reflexion
ihrer Praxis leisten würden. Wird Reflexion in pädagogischen Praxiskontexten jedoch selbst
als theoriefähiges Phänomen mit eigenen Ansprüchen in den Blick genommen, eröffnet sich
eine Lesart jenseits einer bloßen Defizitzuschreibung, die ethischen Dimensionen praktischer
pädagogischer Reflexion einen systematischen Stellenwert einräumen kann. Das Abweichen
von einer möglichst distanzierten Beobachtendenperspektive kann so nicht nur als Verfehlung
betrachtet, sondern auch als Moment des Ansprechbar-Werdens für pädagogische Verantwor-
tungserfahrungen figuriert werden.
Diese Arbeit verfolgt das Anliegen, praktische pädagogische Reflexion zu (re-)konzeptuali-
sieren und darüber Impulse für einen kontext- und gegenstandssensiblen Reflexionsbegriff zu
erarbeiten. Die Annäherung an Reflexion erfolgt über eine Untersuchung von Unterrichts-
nachgesprächen im Kontext der zweiten Phase der Lehrer:innenbildung. Gesprächsanalytisch
unterschiedene Reflexionsmodi bilden die Grundlage für eine traditions- und alteritätstheo-
retisch gestützte Interpretation praktischer pädagogischer Reflexion, die Anschlüsse an er-
ziehungstheoretische Begründungsmotive der Reflexionsbedürftigkeit pädagogischer Praxis
auslotet. Diese Perspektive auf Reflexion in pädagogischen Praxiskontexten versteht sich als An-
gebot, das dominante Reflexionsverständnis im Lehrer:innenbildungsdiskurs zu pluralisieren.
Keywords
Ungewissheit, Reflexivität, Lehramt, Professionsforschung, theoretische Empirie, Gesprächsanalyse, Lehrer:innenbildung, Reflexion, Erziehungstheorie, Distanzierung, Verantwortung, Referendariat, pädagogische ProfessionalisierungDOI
10.35468/5975ISBN
9783781525351, 9783781559752Publisher
Verlag Julius KlinkhardtPublication date and place
Bad Heilbrunn, 2022Series
Studien zur Professionsforschung und Lehrer:innenbildung,Classification
Education